Es kann durchaus entlarvend sein, wenn die ersten, unvoreingenommenen Eindrücke niedergeschrieben werden, statt alles mit Wissen zu unterfüttern. Beim Titel habe ich mich bei gleichnamiger Gastro-Kette bedient, weil ich mich schon öfter gefragt hab, wie viel Bar in Barcelona steckt…

Um die Mittagszeit an einem wunderschönen Frühlingstag fahren wir über die Küstenautobahn, aus dem Süden kommend, in die weltberühmte Metropole und heimliche Hauptstadt der verhinderten Republik Katalonien.

Dank Google-Maps gelangen wir in ein Parkhaus in der Nähe der Rambla, der großen Flaniermeile, von der alle immer reden. Fast 50 Euro kosten hier 24 Stunden beschütztes Parken, egal, wir stellen unseren Golf zwischen Porsche Cayenne und Audi Q7 ab und treten ins Freie.

Ausgespuckt in einer Gasse, die so garnicht zu dem edlen Parkhaus passt, gehen wir in Richtung La Rambla, um einzutauchen ins pulsierende Leben von Barcelona.

In der Gasse zählen wir an die 30 Handyshops, betrieben von Pakistanis, wie uns ein Pizzabäcker verrät; verlebte Prostituierte, Drogenabhängige, komplett Desillusionierte. Ein unangenehmes Gefühl: lieber die Hände in den Taschen behalten, Handy und Portemonnaie eng umklammert. Nichts besonderes, Großstadt eben.

Dann stehen wir plötzlich auf La Rambla und gehen langsam Richtung Plaça de Catalunya, wie Google-Maps verrät. Auf den paar hundert Metern hören wir gefühlt alle Sprachen der Welt. Selfiesticks, klickende Kameras, vor den Bauch geschnallte Rucksäcke, panisch umklammerte Handtaschen. Dazwischen Straßenhändler, Tagelöhner, Kleinkriminelle, Polizei. Und immer wieder: „Coffee-Shop, fine Weed, good Price, 4G – only 20 dollars.“

Abgebogen in die Markthalle von St Josep, stehen wir eingekeilt im Gedränge. Offensichtlich kein Geheimtipp, aber beeindruckend. Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Gewürze, Tapas und und und… Und ein Eierstand:

Zurück auf die Rambla und dann stehen wir auf der Plaça de Catalunya in einer Taubenplage. Mein Opa hätte spätestens jetzt die Schrotflinte eingesetzt – wäre hier aber nicht erwünscht gewesen. Im Gegenteil! Die Masse der grau gefiederten Wesen wurde längst als Touristenattraktion entdeckt. Damen in weißen Gewändern laufen herum, streuen den Reisenden Reis in die Hände und helfen beim Erstellen des Tauben-Schusses – mit Smartphone, nicht mit Schrotflinte. Mein Opa hätte das nie begriffen – Gott hab ihn selig.

Jetzt zu Fuß zur Sagrada Familia, dem Wahrzeichen der Stadt. Häuserblock für Häuserblock zu Fuß. Orientierung ist leicht, denn jeder Block ist gleich groß – Schachfelder, begrenzt von Straßen, wie in den jungen Städten Amerikas. Warum das so geometrisch einheitlich ist? Keine Ahnung, habs nicht recherchiert, ist aber praktisch.

Barcelona wird „normaler“ mit jedem Schritt, den wir zwischen uns und La Rambla bringen. Leute, die hier leben, ihrem Tagwerk nachgehen, in den Tapasbars Mittag essen. Und dann, nach einer halben Stunde Fußmarsch, erhebt sich vor uns: La Sagrada Familia, die sagenumwobene Kathedrale von Gaudí, die auch die Euro-Münzen ziert; und die seit einer Ewigkeit restauriert wird. Eine riesenhafte Schönheit aus Stein, grazil und schwer zugleich, einfach atemberaubend. Auch wenn man sich immer wieder fragt, ob es richtig ist Millionen und Milliarden in alte Bauwerke zu stecken, bei dem Anblick ist es für einen Moment egal.

Zurück zum Plaça de Catalunya mit dem Bus, dann eine Nebenstraße der Rambla hinunter, zum Parlament von Katalonien. Groß über dem Eingang prangt Artikel 19 der Menscherechts-Charta: „Das Recht auf freie Meinung und Meinungsäußerung“. Und da wären wir bei der heißen Politik in Katalonien. Was wohl dabei rauskommen würde, wenn hier alle wirklich einmal frei ihre Meinung über ihr Verhältnis zum Rest von Spanien äußern dürften. Also ganz ohne Knüppel, Verhaftungen und Flucht. Von vielen Hausfassaden grüßt jedenfalls eine einhellige Meinung.

Auf dem Weg zurück zum Auto: Auf der Rambla locken jetzt überall Kellner in die charmanten Sitzgruppen unter Zeltplane. Auf ein kühles Bier, Paella für unter 10 Euro, das Leben genießen.

Eine Gruppe Hare-Krishna-Verehrer tingelt die Rambla hinab. Frauen mit Seidentüchern vorneweg, die die Touris zum Tänzchen einladen. Einhaken, einmal im Kreis, Selfie und dabei „Hare-Krishna, Hare, Hare“ aus einer scheppernden Box auf einem Bollerwagen.

Umkreist wird die Gruppe außerdem von einer vollgepumpten Dame mit weit aufgerissenen Augen, die ständig mit Stinkefinger und Faust droht. Und immer wieder den Zeigefinger zu einer Pistole formt, mit der sie einen Krishna nach dem anderen abknallt – zumindest in ihrer Drogenverschleierten Welt scheint das gerade so abzulaufen.

Wäre Barcelona in der Tat eine Bar, dann eine, in der alle zuhause sind: Die, die Caviar fressen und Martini schlürfen, die, die am MacBook sitzen und wichtig sind, die, die die anderen bedienen, die, die nur ein Bier trinken, und eben jene, die rotzevoll unterm Tresen liegen.