Von Levin Meis, seit 8. Januar 2018 in Brasilien unterwegs.
Brasilien, das größte Land Südamerikas. Riesig, bunt, positiv und negativ.
Sollte man einen, aus vielen Staaten bestehenden, Kontinent wie Europa mit nur einem Land vergleichen, würde man meinen: Brasilien ist fast genauso groß und die kulturelle Vielfalt fast genauso vielfältig. Trotzdem aber, ist alles anders…
Hier quatscht man einfach so mit Leuten, denen man nie begegnet ist und die man wohl auch kein zweites Mal treffen wird. Aber man redet miteinander.
Brasilianer halten zusammen, das Land hat eine Art gemeinsamen Nenner.
Fragt man etwa einen Brasilianer, was denn das Beste an seinem Land wäre, geht die Unterhaltung oft so:
“The best of Brazil…? The best of Brazil are the Brazilians!”
Man findet die eigene Eigenart gut, ist aber trotzdem freier von Vorurteilen, als mancher Europäer.
Was nach meinen bisherigen Erfahrungen – ich bin jetzt zwei Wochen hier – zumindest in die „Top Five“ der „Best things of Brazil“ gehört, ist der oft unerwartete aber erstklassige Service!
Hier werden einem so einige Mühen erspart.
Beim Einkauf im Supermarkt etwa, wurde mir tatkräftige Hilfe angeboten: Beim „lästigen“ einpacken meiner Einkäufe, kam unerwartet ein Mitarbeiter und übernahm den Einpack-Vorgang für mich. Mir – dem deutschen Gringo – war das natürlich unangenehm, aber bevor ich Einspruch erheben konnte, war die Ware schon akkurat in diverse Plastiktüten platziert. Blieb also nur ein kurzes „Obrigado“ und das abgreifen der Tüte, damit der nächste Kunde bedient werden kann. Vielleicht war ich dem Personal auch einfach nur zu langsam, aber ich habe das einfach mal als selbstverständliche Hilfestellung verstanden.
Beim Besuch eines italienischen Restaurants gabs, neben Pizza, ebenfalls ausgezeichneten Service. Am Rande sei vielleicht gesagt, dass die Restaurant-Szene und das angebotene Essen in Sao Paulo weltweiten Ruhm genießt. Nicht wenige behaupten, dass das Sushi hier, das Sushi des fernöstlichen Urhebers deutlich übertrifft.
Auch beim Italiener wurde die vorzügliche Pizza nur vom Engagement eines, äußerst eleganten, Garçon übertroffen. Kam also die Bestellung zum Tisch, zeigte ich bloß auf das Stück das mir am meisten zusagte, damit der Kellner es sanft auf meinen Teller legt. Nach dem ersten Happen, ging es um den nächsten Teil des Wagenrads.
Also erneut den schicken Kellner herangewunken, der wiederum den Teller vorhält, damit die Entscheidung für den nächsten Teil der Mahlzeit fallen kann. Eine sehr bequeme Art sich zu ernähren.
An einem anderen Abend steuerte mein brasilianischer Amigo Guilherme seinen weißen Honda Civic in Richtung einer besonders angesagten Bäckerei.
Bei dieser Bäckerei, mit zugehörigem „International-Supermarket“, gibts den berühmten „Service do Brasil“ schon, bevor man den Laden überhaupt betreten hat.
Natürlich mussten wir vorher den Civic irgendwo parken. Aber nicht nach deutscher Manier 20 Minuten suchen und dann 20 Minuten zum Ziel laufen, nein, das läuft hier anders:
Gui stellte den Wagen einfach in eine Einfahrt und stieg aus. Ich sah ihn an und fragte, ob er wirklich in dieser Einfahrt parken will, die kurz vorher noch lebhaft benutzt wurde. Die Antwort: nur ein lachendes Kopfschütteln.
Natürlich wurde die Karre vom Personal in einen Parkplatz bugsiert, damit der Kunde, nach Essen oder Einkauf, bequem und ohne Aufpreis wieder abdüsen kann.
So einen Premiumservice kannte ich bisher nur aus Filmen, etwa von den schicken Herbergen in die 007 während seiner Eskapaden gerne eincheckte.
Hinterfragt man diese Zusatzleistungen, was ich gerne mal tue, gelangt man schnell zu den sozialen Schieflagen in Brasilien. Die paar Beispiele, die ich aufgeführt habe, stehen sicher nur exemplarisch für eine Vielzahl andere, aus anderen Lebensbereichen.
Außer vielleicht dem fürsorglichen Kellner, sind die restlichen Helferlein Exempel für das Schaffen von Jobs, die nur gemacht werden, weil es für die Menschen keine Alternativen gibt. In einer wohlstands-geschwängerten Gesellschaft wie Deutschland, findet man für solche Aufgaben keine Leute. Knochenarbeit machen nur noch Ausländer, der Rest holt sich einen Krankenschein oder Hartz IV. In Brasilien ist das anders.
Das Land ist nach wie vor in einer wirtschaftlichen Entwicklungsphase, viele Leute stehen ohne Arbeit und geregeltes Einkommen da.
Aber, auch wenn Servicekräfte keinen großen Lohn bekommen, haben sie doch ein paar Reals in der Tasche und etwas zu tun. So helfen sie den „Glücklicheren“ bei ihren alltäglichen Lasten – oder Lästchen. Die einen sparen Zeit und Nerven, die anderen haben eine Chance auf Verdienst. Kann man sehen wie man will und die Frage ist, ob es ohne „Service do Brasil“ besser wäre…