Um die Mittagszeit finden wir uns im Biergarten einer zünftigen bayerischen Schenke wieder. Der Kopf brummt noch gewaltig von der Nacht in Nanjing – irgendwie hatten wir dort doch noch Alkohol aufgetrieben, nachdem das nüchterne Forrest Festival zu Ende war. Ich komme ins Grübeln, während die Bedienung sechs Maßkrüge Weißbier auf den Tisch donnert. Ins Grübeln deshalb, weil wir schon wieder in einer neuen Stadt sind. Irgendwie mussten wir es geschafft haben, trotz durchfeierter Nacht, von Nanjing nach Shanghai zu fahren, denn dort sind wir jetzt – eindeutig.

Die Stimmung ist gelöst, ja sogar euphorisch, denn die Band ist am Ursprung ihrer China-Karriere angekommen. In „Papas Bierstube“ durften sie vor über fünf Jahren ihr erstes Konzert spielen. Damals war das ein Experiment, das erstaunlich gut funktionierte. In der vollgepackten Bierstube kam Hardrock damals richtig gut an, erinnert sich die Wirtin Iris. Sie ist zu einer guten Freundin geworden, der immer ein Besuch abgestattet wird, wenn die Band in Shanghai Station macht.
Iris lacht laut und viel und verbringt den Nachmittag mit uns bei „Kutscherschnitzel“ und selbstgebrautem Weißbier. Sie selbst trinkt nichts. So muss sie das handhaben, denn sonst würde sie hier zum Alkoholismus genötigt, sagt sie. Nicht nur von der Band, sondern den anderen Gästen auch. Eine Wirtin, die mit einem Kunden trinkt, muss mit allen trinken und das endet niemals gut. Deshalb hat Iris, die vor vielen Jahren aus Deutschland nach Shanghai auswanderte, sich klare Regeln auferlegt.
Ihr Mann heißt Yang und sitzt auch mit am Tisch. Er trägt einen blauen Maßanzug, hellgelbes Hemd, eine stylische gelbe Brille und er raucht Zigarre – geiler Typ. Ihm zu Ehren stimmen wir nacheinander „Yang Man“ (Village People) und „Forever Yang“ (Aplhaville) an. Der Gute fühlt sich sichtlich geehrt.

Auch wenn das wirklich originelle „Kutscherschnitzel“ noch nicht ganz in den verkaterten Körper will, plätschert das Weizen schon wieder gewaltig die Kehle runter und die Stimmung wird immer ausgelassener.
Wir bedauern es sehr das jährliche Bierfestival in Papas Bierstube verpasst zu haben. Es war schon Anfang September mit den legendären Auftritten der Aschaffenburger Zipfelklatscher. Mit ihrer bayerischen Volksmusik klatscht jeder Zipfel munter durch die Nacht, sind wir uns sicher.

Aber genug der bayerischen Hochkultur, wir sind schließlich im Reich der Mitte. Unsere eigene Mitte müssen wir nach dem Besuch bei Iris und Yang erstmal wiederfinden, denn leicht orientierungslos sind wir schon nach 6 Litern Weißbier pro Kopf.
Also ein wildes Umarmen zum Abschied und dann ab in die City zu einer japanischen Showküche. In dem Restaurant finden wir uns um eine heiße Metallplatte versammelt wieder, mit einem Menü in der Hand, das wir (mal wieder) nicht durchschauen. Weder Personal, noch Koch verstehen Englisch, also wird, wieder einmal, mit Übersetzer-Apps gearbeitet und irgendwie bestellt. Das einzige was sicher ist, ist die Bier-Bestellung: Mit abgespreiztem Daumen und kleinem Finger – wie der Surfergruß – signalisert man dem Chinesen die Zahl 6 und sagt dazu „píjiǔ“. Prompt bringt der Kellner sechs eisgekühlte Tsingtao.
Natürlich kann Bandleader Tim es nicht lassen unseren Showkoch, der an der heißen Platte seinen Posten bezogen hat, zum Bierkonsum zu überreden. Nach anfänglichen Versuchen dankend abzulehnen, gibt er sich geschlagen und zieht dann genüsslich beim Kochen die Bierchen weg. Wenn er dabei nicht mit scharfen Messern jongliert hätte, hätte ich mich wohl entspannt, so aber verfolge ich jede seiner Bewegungen aufmerksam. Plötzlich reicht der Manager wieder seine Übersetzer-App rein: „Prepare Your Cameras, the cook will dance for You“, steht da. Wir glauben zunächst, dass da irgendwas „lost in translation“ ist, aber dann setzt der Mann sich tatsächlich eine dunkle Brille auf, ein schneller Elektro-Beat setzt ein und der Koch führt eine Art „Gangnam-Style“ auf. Die Zipfelklatscher wären stolz auf ihn.
Das Essen war lecker, wie immer zu viel und der angetrunkene Koch hat uns nicht mit seinen Messern erdolcht. Mit dieser Feststellung wollen wir zum „Yuyintang Livehouse“ aufbrechen und ein beschwipstes Konzert spielen, als uns einfällt, dass heute ja der einzige Konzert-freie Tag der Tour ist. Erleichterung macht sich breit und wir nehmen uns stattdessen ein Taxi ins Zapatas, Shanghais legendärem Nachtclub.
Über dem Eingangsschild steht bereits geschrieben „What happens in Zapatas, stays in Zapatas“ und daran will ich mich auch hier halten. Nur so viel: Auch wir hätten die Zipfelklatscher schwer beeindruckt.
Am nächsten Tag gabs wieder einen Auftritt von THE IGNITION, alles andere habe ich vergessen… Ach ja: Roadie Mücke hat sich irgendwo in Shanghai tätowieren lassen. Aber das wars dann glaub ich.
„Oans, zwoa, g’suffa!

